In der jüngsten Sitzung des St. Wendeler Stadtrates wurde hitzig diskutiert – doch nicht die Sache selbst war das Problem des letzten Tagesordnungspunkts, sondern die Art und Weise der Kommunikation.
Schon zu Beginn der Stadtratssitzung vom 25. Januar 2024 schnellte die Hand des Fraktionsvorsitzenden der SPD im Stadtrat, Marc André Müller, nach oben. Er wolle den Punkt 14 auf der Tagesordnung „Antrag der CDU-Fraktion: Resolution des Stadtrates der Kreisstadt St. Wendel – Stärkung der Sicherheit in St. Wendel“ zur Diskussion in den Ausschuss vertagen. Müller argumentierte, dass die Unterlagen erst am Vorabend bei den anderen Parteien eingegangen seien, was zu wenig Zeit für eine interne Diskussion gelassen habe. Die LINKE, FDP und Grüne stimmten dem Antrag zu, jedoch wurde er von der CDU, der Mehrheitspartei, abgelehnt.
Diese Entscheidung veranlasste Müller zu einem in dieser Legislatur nie dagewesenen Schritt: Bei Punkt 14 angelangt, beantragte der SPD-Fraktionsvorsitzende eine halbstündige Unterbrechung der Sitzung, um sich mit seiner Fraktion zu beraten. Aus dieser zurückgekehrt kam die Diskussion ins Rollen. Müller ging die Resolution Absatz für Absatz durch – wohlwissend dem unausweichlichen Ende der Verabschiedung der Resolution durch die Mehrheitspartei entgegen.
Müller betonte die Klarheit und Wichtigkeit der Resolution bezüglich der Sicherheit in unserer Stadt. Doch bereits im zweiten von fünf Absätzen der eineinhalbseitigen Schrift wurde über Formulierungen gestolpert.
An der für die SPD kritischen Stelle heißt es: „Die aktuelle Potenzialanalyse der Landesregierung sieht eine mögliche Reduzierung der OpE-Standorte im Saarland vor, was auch die Polizeiinspektion in St. Wendel betrifft. Der Stadtrat appelliert daher an die saarländische Landesregierung, die OpE-flex mit ihren 21 Polizisten und Polizistinnen weiterhin in St. Wendel zu stationieren.“
Es gebe keine konkreten Aussagen, die eine solche Auswirkung auf St. Wendel beinhalteten. Die Frage nach der Quelle konnte die CDU auch nach einer endlos scheinenden Diskussion nicht beantworten. Dennoch stand außer Frage, dass die Polizeireform Auswirkungen auf die Stadt St. Wendel haben würde – ob positiv oder negativ. Aus diesem Grund wollte Müller eine Umformulierung der Aussage in den Konjunktiv beantragen, was die CDU jedoch ablehnte.
In den nächsten Abschnitten der Resolution verlangt man nachdrücklich nach verstärkten Kontrollaktivitäten der Bundespolizei und Deutschen Bahn am Bahnhof St. Wendel. Dem stimmte die SPD zu, was auch bei dem Treffen der Ordnungspartnerschaft vor ein paar Monaten so beschlossen wurde. Doch müsse sich die Stadt selbst in die Pflicht nehmen, wenn sie ein umfassendes Sicherheitskonzept und bauliche Veränderungen, insbesondere in schlecht beleuchteten Bereichen von der Deutschen Bahn verlange. Müller: „Denn auch in der Stadt gibt es schlecht beleuchtete und unsaubere Stellen und schlechte Beleuchtung und unsaubere Stellen tragen ebenso zu einem negativen subjektiven Sicherheitsgefühl bei. Da ist längst nicht alles Gold, was glänzt und hier jetzt die Verantwortung rein auf das Land abzuschieben und auf die Bundespolizei das finde ich zu kurz gegriffen, wir sollten uns hier schon selbst in die Pflicht nehmen.“
Aus dem letzten Abschnitt wollte die SPD den Wahlkampf der CDU herauslesen. Hier wird das Vorgehen des Bürgermeisters begrüßt, das Ordnungsamt zu einer so genannten „Stadtpolizei“ mit mehr Personal und entsprechender Ausstattung weiterzuentwickeln. Auf mehrfache Nachfrage hin konnten der Bürgermeister und letztendlich auch die CDU erläutern, dass es im letzten Punkt um die Ausstattung des Ordnungsamtes mit beispielsweise Pfefferspray zur Selbstverteidigung ginge und um das Vorhaben der Steigerung der subjektiven Sicherheit durch neue Uniformen und Dienstwagen mit der Aufschrift „Stadtpolizei“. So soll dem Ordnungsamt zukünftig mehr Respekt gezollt werden. Für Müller wecke der Begriff „Stadtpolizei“ eine Hoffnung, der man nachher nicht gerecht werden könne, da man sich unter dem Begriff „Polizei“ mehr als einen kommunalen Ordnungsdienst vorstellen würde.
Sören Bund-Becker (Die Grünen) begrüßte einerseits die bisherige Arbeit zur Sicherheit und besonders die Schaffung neuer Stellen im Ordnungsamt. Jedoch warfen er der CDU vor, das Sicherheitsniveau in St. Wendel unnötig politisch zu instrumentalisieren.
Die Grünen betonten, dass der Landkreis St. Wendel bereits als der sicherste Landkreis und die Stadt selbst als die sicherste Stadt gelte, was nicht heruntergespielt werden dürfe. Gleichzeitig äußerten sie Bedenken, dass die Resolution den Eindruck erwecke, dass die Stadt sich in erster Linie um die Sicherheit kümmern solle, was ihrer Meinung nach nicht der Fall sei. Sie warfen der CDU vor, mit dem Papier Wahlkampfstimmung zu schüren und betonten, dass sie der Resolution nicht zustimmen könnten.
Stephan Rieth (FDP) brachte einen alternativen Ansatz in die Diskussion ein. Er unterstrich, dass die Stadt nicht weniger Polizei, sondern weniger Verbrecher brauche. Seiner Meinung nach sollten verstärkt Bildungsmaßnahmen für junge Menschen in den Fokus gerückt werden. Statt mehr Polizisten plädierte er für den Einsatz von Technologie wie Kameras, um effizientere Sicherheitsmaßnahmen zu gewährleisten. Er kündigte an, der Resolution nicht zuzustimmen und regte mehr Innovation, insbesondere durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), an.
Joachim Zerfaß (Die Linke) begrüßte die Frage nach Sicherheit im ersten Absatz der Resolution. Allerdings äußerte er Unklarheiten bezüglich der möglichen Reduzierung der OpE-flex und der Umwandlung des Ordnungsamtes in eine Stadtpolizei.
Die AfD äußerte sich kritisch gegenüber der restlichen Opposition und betonte, dass Sicherheit wichtig sei und keine Aufblähung des Themas im Papier erkennbar wäre. Rüdiger Klesmann (AfD) vermutete hier Wahlkampftaktik und erklärte, dass die AfD der Resolution zustimme, weil sie notwendig und sinnvoll sei.
Am Ende betonte Sebastian Schorr (CDU), dass die Resolution den Einsatz der CDU zeigt und es nicht um Parteipolitik, sondern um das Engagement des Stadtrats für die Sicherheit gehe. In dieser Hinsicht entschied sich die FDP, die Resolution zu unterstützen, da sie die Sache befürwortet. Anders hingegen entschieden sich SPD und Grüne. Trotz Zustimmung zur Sicherheitsfrage enthielten sie sich aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Art und Weise der Kommunikation und in der Folge des politischen Umgangs innerhalb des Rates.
Insgesamt bleibt die Frage offen, warum ein so wichtiges Thema wie die Sicherheit in St. Wendel zu einer derartigen Diskussion im Stadtrat führen muss.
Es darf nicht überraschen, wenn solche Diskussionen das Vertrauen der Bevölkerung in die Kommunalpolitik erschüttern. Bürgerinnen und Bürger könnten sich zu Recht fragen, ob die politischen Entscheidungsträger wirklich die drängenden Anliegen der Gemeinschaft im Blick haben oder ob parteipolitische Interessen und unterschiedliche Kommunikationsstile die Überhand gewinnen.
Es bleibt abzuwarten, wie der Stadtrat von St. Wendel mit dieser Herausforderung umgehen wird und ob künftige Diskussionen zu einer konstruktiveren und effektiveren Lösungsfindung führen. Denn letztendlich sollte das Streben nach Sicherheit nicht nur politisches Ziel, sondern auch ein gemeinsames Anliegen sein – in der Formulierung einer Schrift zugeben und abgeben zu können wäre hierbei sicherlich wünschenswert gewesen.