Schaumberger Hof: Ministerium zieht Zwischenbilanz

Das ehemalige Drogentherapiezentrum „Schaumberger Hof“ in Tholey ist seit Februar 2016 das landesweite Zentrum für die vorläufige Inobhutnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Bis dahin wurden die minderjährigen Flüchtlinge von den Jugendämtern betreut, in deren Zuständigkeitsbereich sie aufgegriffen wurden. In der Zuständigkeit des Landes wird das Verfahren der vorläufigen Inobhutnahme nun zentral durch das Landesamt für Soziales gesteuert. Im Rahmen einer Pressekonferenz konnte Sozialministerin Monika Bachmann gemeinsam mit Staatssekretär Stephan Kolling eine erfolgreiche erste Zwischenbilanz ziehen.

Aktuell kommen im Schnitt 1-2 unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) pro Tag auf dem Schaumberger Hof an. Seit dem 01.02.2016 hat die Vorclearingstelle „Schaumberger Hof“ 458 minderjährige Flüchtlinge gem. § 42a SGB VIII vorläufig in Obhut genommen und es wurde entsprechend der gesetzlichen Vorgaben überprüft, ob ein Verteilhindernis bei diesen minderjährigen  Flüchtlingen besteht.

Unter diesen 458 minderjährigen Flüchtlingen waren auch 50 weibliche Personen, einige von ihnen verheiratet. Zwei minderjährige junge Frauen waren bei ihrer Ankunft schwanger.

Insgesamt sind bislang 105 so genannte „Abgängigkeiten“ aus der Vorclearingstelle zu verzeichnen; das heißt, dass die Jugendlichen vor Abschluss des Vorclearingverfahrens den „Schaumberger Hof“ verlassen haben, um ihr ursprüngliches Reiseziel zu erreichen. Meistens sind dies junge Afghanen, die weiter nach Schweden reisen wollen, oder umA aus Algerien oder Marokko. Hier erlauben die gesetzlichen Vorgaben keinerlei Maßnahmen, diese Personen festzuhalten.

Aktuell ist festzustellen, dass durch die Schließung der so genannten „Balkanroute“ fast nur noch umA aus Eritrea oder Äthiopien – fast ausschließlich über die Goldene Bremm oder den Hauptbahnhof Saarbrücken – das Saarland erreichen. Vermehrt treffen in letzter Zeit junge Mädchen ein, insbesondere aus Eritrea.

„Leider müssen wir feststellen, dass diese umA in einer schlechten  körperlichen Verfassung hier ankommen; es gab u.a. einige Fälle von Malaria oder Windpocken. Die Fluchtwege sind lang und gefährlich. Nicht selten kommt es vor, dass die Mädchen auf der Flucht auch sexuelle Gewalt erleiden mussten und ihre familiären Bindungen verloren, in deren Folge sie zum Teil schwer traumatisiert sind“, berichtet Monika Bachmann.

Etwa zehn Prozent der umA, die im vergangenen halben Jahr zu uns gekommen sind, sind weiblich. Bislang haben 50 Mädchen und junge Frauen das Vorclearingverfahren auf dem „Schaumberger Hof“ durchlaufen und wurden größtenteils in andere Bundesländer weitergeleitet.

Angesichts der teilweise starken psychischen Traumafolgewirkungen, unter denen die Mädchen und jungen Frauen leiden, plant die zuständige Fachabteilung des Ministeriums derzeit, eine spezialisierte Unterbringungs- und Betreuungseinrichtung in Trägerschaft eines in der Arbeit mit Mädchen erfahrenen Jugendhilfeträgers, zu schaffen.

„Damit wird zum einen dem besonderen Schutzbedarf der Mädchen Rechnung getragen, zum anderen ermöglicht es von Beginn an eine Bearbeitung der traumatischen Fluchterfahrungen. Dabei wird angestrebt, den weiblichen umA einen Verbleib im Saarland zu ermöglichen – vorzugsweise nach Inobhutnahme durch ein Jugendamt im Rahmen der Hilfeform Vollzeitpflege in einer Gastfamilie – damit eine erneute Entwurzelung vermieden werden kann“, kündigt die Ministerin an.

Im Hinblick auf die auf die Problematik von Kinderehen im Saarland hat eine erste Recherche des Ministeriums für Inneres und Sport, ergeben, dass im Saarland insgesamt 29 Ehen von ausländischen Minderjährigen gemeldet sind

(Hinweis: die Dunkelziffer dürfte um ein vielfaches höher liegen, da nicht alle verheirateten Minderjährigen gültige Papiere besitzen bzw. andere Verwandtschaftsverhältnisse angegeben haben).

 Die Problematik wird bundesweit als besorgniserregend eingeschätzt, zum einen mit Blick auf das Kindeswohl der minderjährigen Ehefrauen, zum anderen weil nach deutschem Recht sexuelle Handlungen mit Personen unterhalb der gesetzlich festgelegten Schutzaltersgrenzen strafrechtlich relevant sind. Gleichwohl sind in der Regel unter den gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen, die im Heimatland geschlossenen Ehen, in denen die Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung 16 Jahre und jünger ist, in Deutschland anzuerkennen.

Insgesamt befinden sich heute immer noch 865 umA im Saarland. „Bundesweit sind es rund 64.000 junge Flüchtlinge“, so Ministerin Bachmann weiter. „Das Saarland hat hier in den letzten Monaten deutlich mehr aufgenommen, als andere Bundesländer.“

Nach dem Königsteiner Schlüssel muss das Saarland bei den bundesweit ca. 64.000 umA 782 unbegleitete Flüchtlinge aufnehmen. Damit liegt das Saarland aktuell immer noch mit 83 jungen Flüchtlingen über dem Verteilungssoll. Vor diesem Hintergrund erfolgt eine Verteilung auf andere Bundesländer, sofern die Flüchtlinge gesundheitlich dazu in der Lage sind und es keine Verwandtschaftsverhältnisse im Saarland gibt.

„Am Standort Tholey haben wir mit den dort vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowohl des Landes als auch der SaarlandHeilstättenGmbH ein hochprofessionelles Team, das in  sehr guten Räumlichkeiten, eine kindeswohlgerechte Betreuung und Versorgung der Jugendlichen sicherstellt“, so Ministerin Bachmann. „Mit der Übernahme der vorläufigen. Inobhutnahme auf das Land wurde das Ziel, die Verweildauer der umA zu reduzieren bereits jetzt schon erreicht; das Prinzip „alles unter einem Dach“, angefangen von der ärztlichen, pädagogischen bis hin zur  psychologischen Versorgung wird hier lückenlos umgesetzt.“

„Damit werden die betroffenen Kinder und Jugendlichen ihren Bedürfnissen entsprechend im Zuweisungsjugendamt – nach Zuteilungsentscheidung des Bundesverwaltungsamtes an ein dann zuständiges Bundesland – aufgenommen. Erst die dauerhafte Unterbringung an dem  Ort, an dem sie längerfristig bleiben, gibt den Betroffenen die Möglichkeit, die tiefgreifenden Bildungs-, Sprach- und Integrationsangebote zu nutzen und garantiert ein am Kindeswohl orientiertes Aufwachsen“, so Ministerin Bachmann weiter.

Wir rechnen im Frühjahr nächsten Jahres damit, wieder in eine landesinterne Verteilung der umA einzusteigen. Die aktuell immer noch stark belasteten Jugendämter des Landkreises Saarlouis und des Regionalverbandes werden auf lange Sicht aber nicht davon betroffen. Um die Jugendämter dauerhaft zu entlasten, planen wir derzeit ein zentrales Clearingverfahren ebenfalls auf dem Schaumberger Hof zu installieren.

„Ziel dieses Vorhabens ist es, die vorhandenen Kompetenzen des Schaumberger Hofes im Bereich der Betreuung und Versorgung der umA auch hierfür zu nutzen und nicht weitere Strukturen zu schaffen. Das Prinzip „Alles unter einem Dach“ lässt sich auch hier hervorragend umsetzen“, so die Ministerin weiter. „Selbstverständlich bleiben hierbei die hoheitlichen Tätigkeiten, insbesondere die Feststellung des Hilfebedarfs, die Klärung des Schulbesuchs oder Fragen der rechtlichen Vertretung des umA in den Händen der örtlichen Jugendämter, sodass auch hier schnellstmögliche Bindungen in die aufnehmenden Kreise hergestellt werden können.“

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