Diskussionsveranstaltung: „Das Kreuz steht für Nächstenliebe und Toleranz“

Das Abhängen der Kreuze im Amtsgericht Saarbrücken im März dieses Jahres sorgte für kontroversen Diskussionsstoff im Land. Aus diesem Anlass veranstaltete die Pfarreiengemeinschaft St. Wendel am gestrigen Donnerstag eine Podiumsdiskussion zum Thema „Am Kreuz führt kein Weg vorbei“ in Bliesen. Dabei war das Podium hochkarätig besetzt. Unter den Befürwortern der Kreuze im Gerichtssaal befanden sich die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, sowie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im saarländischen Landtag, Hermann Scharf. Die Diskutanten auf der Contra-Seite waren Michael Hilberer, Landtagsabgeordneter der Piratenpartei aus Oberlinxweiler, die stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Saarland, Tina Schöpfer und die Schülerin Sarah Detambel, die Landessiegerin des Wettbewerbs „Jugend debattiert“.

In ein paar kurzen einleitenden Sätzen erklärte der St. Wendeler Pastor Klaus Leist unter anderem, dass es bei der Diskussion keinesfalls einen parteipolitischen Hintergrund gebe, die Diskutanten seien lediglich aufgrund ihrer eigenen Einstellung dem Thema gegenüber eingeladen worden.

Christian Otterbach vom Saarländischen Rundfunk übernahm die Moderation der Podiumsdiskussion, die nach einer kurzen Vorstellungsrunde der Teilnehmer begann.

Dabei wurden gleich zu Beginn die verschiedenen Auffassungen deutlich. Bischof Stephan Ackermann erklärte zunächst, dass die Religionsfreiheit in Deutschland natürlich unumstritten gelte, dennoch seien die Verfassung und das Grundgesetz durch das christliche Gottesbild geprägt. Hängen in einem Gerichtssaal Kreuze, so sei das keine Übergriffigkeit der Kirche, schließlich nenne auch die Präambel des Grundgesetzes Gott.

Daraufhin entgegnete Tina Schöpfer, selbst aufgeklärte, evangelische Christin, dass Kirche und Staat stets getrennt bleiben müssen. Gerichte sind Teil des öffentlichen Raumes und nicht zuletzt wegen der Gewaltenteilung müssten diese auch neutral bleiben. Zunächst seien erst einmal die Menschenrechte Grundlage der Verfassung und da jeder Mensch das Recht auf Religionsfreiheit habe, sollten in Gerichtssälen keine Kreuze als Zeichen des Christentums hängen, da diese deshalb keine Neutralität der Gerichte vermitteln würden.

Michael Hilberer von der Piratenpartei, der sein eigenes Verhältnis zur Kirche als „kompliziert“ beschreibt, unterstützte diese Meinung, Deutschland sei ein pluralistischer Staat, Angehörige nahezu aller Religionsgruppen, ebenso wie Konfessionslose leben in Deutschland, deshalb müsse man auch weltanschaulich neutral bleiben.

Die Ministerpräsidentin, selbst katholische Christin, erklärte daraufhin, dass das Kreuz in ihrem christlichen Verständnis auch ein Zeichen der Demut sei. Im Gerichtssaal könne es Angeklagten Trost spenden, ebenso könne es aber auch Richtern, die durchaus nicht frei von Fehlern seien, Erleichterung verschaffen, da diese so daran erinnert werden, dass es noch eine „höhere Instanz“ gebe, der Mensch selbst nicht „das Maß aller Dinge“ sei.

Für Sarah Detambel, Schülerin des Warndtgymnasiums Völklingen, symbolisiert das Kreuz hingegen nichts positives, wie die Atheistin erklärte. Sie glaube, dass in manchen Menschen durch das Kreuz sogar negative Erinnerungen geweckt werden können. Ihrer Meinung nach sollte man die Werte seiner jeweiligen Religionen verinnerlicht haben und kein Kreuz brauchen, das einen erst an diese erinnern müsse. In diesem Punkt stieß Detambel auf große Zustimmung von Tina Schöpfer, die sagte, sie persönlich trage die Werte ihrer Religion im Herzen und brauche deshalb auch kein Kreuz als Erinnerung oder Unterstützung. Außerdem herrsche im Gericht ein Neutralitätsgebot, weshalb anderen Religionen gleiche Rechte zukommen müssten und man somit auch Symbole anderer Religionen in Gerichtssälen erlauben müsse, argumentierte Sarah Detambel weiter, weshalb sie sich für eine strikte Trennung von Religion und Staatsangelegenheiten aussprach.

Hermann Scharf sprach hingegen die „abendländische Kultur“ an und erklärte, dass wir in Deutschland eben christliche Wurzeln haben. Überall stoße man, vor allem auch im St. Wendeler Land, auf Wegkreuze, sogar im Landeswappen ist das Kreuz zu finden, für sei es deshalb auch nicht aus dem Gerichtssaal wegzudenken. Darauf entgegnete Michael Hilberer, dass die Perspektive dieser abendländischen Kultur zu kurz gegriffen sei, wenn man sie so wie Scharf definiere, schließlich ändere sich auch die Kultur ständig, vor allem im Hinblick auf die pluralistische Gesellschaft. Er forderte konsequente Neutralität des Staates, betonte jedoch, dass es ihm bei der Entfernung der Kreuze einzig und allein um Gerichtssäle gehe, da diese Angeklagten anderer Konfessionen ein schlechtes Gefühl vermitteln könne. Auch Detambel erklärte, dass durch ein Kreuz, das über einem Richter hänge, der Eindruck von einem scheinbar vorgefertigten, christlich geprägten Urteil entstehen könne.

Bischof Ackermann erklärte jedoch, dass man das Kreuz nicht als Symbol der Schwäche oder des Ausgeliefertseins, sondern als Symbol der Gerechtigkeit im christlichen Sinne, als Hoffnungsanker sehen müsse.

Die Bedeutung des Kreuzes war zentraler Bestandteil der Diskussion, in deren Verlauf jedoch deutlich wurde, dass es für jeden etwas anderes bedeuten kann, da die Teilnehmer sich nicht auf eine einzige Bedeutung des Kreuzes als Symbol einigen konnten.

Insgesamt konnten die beiden Gruppen sich auch nicht auf eine gemeinsame Lösung, was den Verbleib von Kreuzen im Gerichtssaal betrifft, einigen. Frau Kramp-Karrenbauer sagte, sie wolle es jedem Angeklagten eingestehen, die Möglichkeit zu haben, das Kreuz zu verhüllen oder in einen Gerichtssaal auszuweichen, in dem kein Kreuz hängt. Michael Hilberer hingegen schlug vor, in Gerichten eine Art „Andachtsraum“ für Angehörige verschiedener Religionen einzurichten.

Tina Schöpfer äußerte abschließend Kritik an der Kirche, sie findet, statt das Kreuz so vehement zu verteidigen, müsse man dort andere Schwerpunkte setzen, sich beispielsweise überlegen, wie man mehr junge Menschen für die Kirche gewinnen könne.

Während der Diskussion hatten die Zuschauer die Möglichkeit, eigene Fragen an die Diskutanten zu formulieren, die Anton Stier, der als „Anwalt des Publikums“ fungierte, zum Ende der Diskussion stellte.

Dabei fragte ein Zuschauer Hermann Scharf, warum er das Kreuz im Gerichtssaal befürworte, wenn jeder Angeklagte auch selbst ein eigenes religiöses Symbol, das seiner eigenen Religion entspricht, mitbringen könne. Darauf antwortete er: „Weil das Kreuz für mich für Nächstenliebe und Toleranz steht.“, was nicht zuletzt wieder die verschiedenen Auffassungen, was die symbolische Bedeutung des Kreuzes betrifft, deutlich machte.

Abschließend übernahm Christian Otterbach, der souverän auch mal mit kritischeren Nachfragen durch die Diskussion geführt hatte, wieder das Wort. Dabei überließ er es jedoch dem Publikum selbst, aus dem Abend ein Fazit zu ziehen. Er teilte jedoch einen abschließenden Satz, auf den er während seine Theologiestudiums gestoßen sei und der gut zum Thema des Abends passe, mit den Anwesenden. „Das Kreuz ist ein Skandal, man muss sich damit auseinandersetzen!“

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