Die Weihnachtszeit gilt vielen als die schönste Zeit des Jahres. Zu keiner anderen Zeit ist die Sehnsucht nach Frieden so groß wie an Weihnachten. Doch vielerorts auf der Welt leiden Menschen unter Gewalt, Terror und Krieg. Gibt es Hoffnung?
Vor über 2.000 Jahren wurde Jesus von Nazareth der Überlieferung des Neuen Testaments zufolge in Bethlehem geboren. Ausgerechnet dort, im Heiligen Land, wo Jesus zur Welt kam, lebte, wirkte und starb (und wieder auferstand), herrscht zurzeit wieder Krieg. Seit mehr als 75 Jahren dauert der Nahost-Konflikt nun an: Arabisch-israelischer Krieg, Sechstagekrieg, Jom-Kippur-Krieg, erster Libanonkrieg, erste Intifada, zweite Intifada, zweiter Libanonkrieg und immer wieder (weitere) Terroranschläge. Die Gewalt und das Blutvergießen finden kein Ende. Der Weg zum Frieden scheint weiter weg, als je zuvor. Ist dieser Konflikt unlösbar?
Der jüngste Krieg brach in diesem Oktober aus, nachdem Terroristen der Hamas mit einem brutalen Terroranschlag Israel heimsuchten. Auf barbarischste Art und Weise wurden am 7. Oktober über 1.400 Menschen ermordet und mehr als 200 weitere als Geiseln genommen. Es war der blutigste Tag des jüdischen Volkes seit dem Ende des Holocausts.
Die Hamas war 1986 von sieben Männern gegründet worden. Diese sahen in den Israelis fremde Besatzer von muslimischem Land, die wieder vertrieben oder ausgemerzt werden müssten. Der Kampf der Hamas gegen Israel begann mit der ersten Intifada und dem Werfen von Steinen und Molotov-Cocktails. Später bewaffnete sich die Hamas und organisierte Selbstmord-Bombenanschläge.
Einer der sieben Gründer der Hamas ist der Imam Sheikh Hassan Yousef. Immer wieder wird er von den Israelis verhaftet, monatelang ohne Anklage inhaftiert, gefoltert und befragt. Sein ältester Sohn Mosab Hassan Yousef ist elf Jahre alt, als sein Vater 1989 erstmals verhaftet wird. Für Mosab ist sein Vater ein Held. Er eifert ihm nach. Die Israelis sind die Bösen und die Palästinenser sind die Guten. Als 18-Jähriger versucht der „Sohn der Hamas“ sich Waffen zu beschaffen, um Israelis zu ermorden. Doch bevor er seinen Plan in die Tat umsetzen kann, kommt ihm der israelische Geheimdienst auf die Schliche und verhaftet ihn.
Zunächst wird auch Mosab gefoltert und verhört, aber dann bietet der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet dem „grünen Prinzen“ an, für ihn als Spion zu arbeiten. Mosab willigt ein – anfangs allerdings um auf diese Weise an Waffen zu gelangen und Rache an Israel zu üben. Doch zu seiner Verwunderung behandelt der Schin Bet ihn stets respektvoll, fördert ihn und ermöglicht ihm sogar ein Studium. Sind die Israelis wirklich seine Feinde? Mosabs Weltsicht beginnt zu bröckeln.
Und dann kommt der Tag, der Mosabs Leben verändert: Er ist am Jerusalemer Damaskus-Tor unterwegs – von wo sich einst ein gewisser Saulus aufmachte, um Christen zu verfolgen und dann seine Bekehrung und Wandlung zum Paulus erfuhr (Apostelgeschichte 9, 1-19) – als er auf eine Gruppe christlicher Studenten aus Großbritannien trifft. Sie schenken ihm das Neue Testament. Mosab nimmt das Geschenk an und beginnt aus Neugier darin zu lesen. Er kommt zur Bergpredigt und denkt: „Wow, dieser Jesus ist wirklich beeindruckend! Alles, was er sagt, ist wunderbar.“ Mosab kann das Buch nun gar nicht mehr weglegen. Jeder Satz scheint eine tiefe Wunde in seinem Leben zu berühren. „Es war eine sehr einfache Botschaft, aber irgendwie hatte sie die Kraft meine Seele zu heilen und mir Hoffnung zu geben.“ Mosab liest:
„Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut denen Gutes, die euch hassen, betet für die, die euch beleidigen und verfolgen“ (Matthäus 5, 43-44).
Der „Sohn der Hamas“ ist wie vom Donner gerührt: „Das ist es!“, denkt er. „Niemals zuvor hatte ich etwas wie das gehört, aber ich wusste, dass dies die Botschaft war, die ich mein ganzes Leben lang gesucht hatte. Plötzlich realisierte ich, dass die Israelis nicht meine Feinde waren.“ Mosab wird klar, dass sich Feinde nicht nach Nationalität, Religion oder Ethnie bestimmen lassen, sondern dass wir alle die gleichen Feinde haben. Feinde wie Neid, Habgier, Hochmut oder Zorn. „Alles was ich denken konnte war: ´Wow! Was hatte dieser Mann für eine Weisheit´!“ Mosab liest weiter:
„Richte nicht, damit du nicht selbst gerichtet wirst“ (Matthäus 7, 1).
Was war das für ein Unterschied zu dem, was Mosab bisher gehört hatte! Staunend stellt er fest: „Alles was Jesus sagte, machte für mich absolut Sinn.“
Je mehr Mosab die Bibel liest, desto klarer wird ihm: Verletzte Menschen verletzen Menschen. Nur Nächstenliebe und Vergebung können das Blutvergießen beenden und in eine bessere Zukunft führen. Mosab überwindet den alten Hass, der ihn einst dazu trieb, Waffen zu kaufen, um Israelis zu töten. Mithilfe von Mosabs Informationen gelingt es dem Schin Bet, das Leben vieler unschuldiger Menschen, insbesondere von Juden, zu schützen. Mosab arbeitet dabei unter dem Risiko der Aufdeckung, die sein Leben in größte Gefahr bringen würde.
Doch die Lehren Jesu werden nicht nur für Mosab, sondern auch für andere Teilnehmer seiner Bibelgruppe – der auch Atheisten, Moslems oder Juden angehören – zum Kompass und zur Inspiration. Amnon, ein jüdischer Teilnehmer, verweigert nach seiner Taufe den verpflichtenden Militärdienst: „Ich möchte nicht auf Steine werfende Kinder schießen. Ich bin dazu aufgerufen, meinen Feind zu lieben!“ Mosab ist beeindruckt: „Amnon versuchte Palästinenser zu schützen und ich versuchte Juden zu schützen. Wenn es nur tausend Amnons auf der einen Seite und tausend Mosabs auf der anderen Seite gäbe – es könnte einen großen Unterschied machen!“
Nach zehnjähriger Arbeit für den Schin Bet wanderte Mosab 2007 in die USA aus, wo er seine Konversion zum Christentum und seine Tätigkeit für den Schin Bet öffentlich machte. Von seinem Vater wurde er daraufhin als Verräter verstoßen. Mosab hat seine Heimat und seine Familie verloren und sein Leben riskiert, um einer Botschaft zu folgen: Liebe deinen Feind.
Aber ist es so einfach? Führen Feindesliebe und Gewaltverzicht zum Frieden – auch im Nahen Osten? Ja und nein. Nein, weil die Israelis Feinden gegenüberstehen, die sie vernichten wollen. Ein Staat kann nicht auf die Anwendung von Gewalt verzichten und die andere Wange hinhalten (Matthäus 5, 39). Denn dies sind die Wangen seiner Bürger. Ein Staat hat die Pflicht, das Leben und die Freiheit seiner Bürger – nötigenfalls mit Gewalt – zu schützen. Andernfalls verliert ein Staat seine Legitimation. Daher gibt es Polizei und Militär. Und ein Staat hat nach einem Angriff auch das Recht, sich zu verteidigen. Aber mit militärischen Mitteln wird man keinen dauerhaften Frieden schaffen können. Die Angriffe auf die Hamas führen zudem unvermeidlich auch zum Tod von palästinensischen Zivilisten und damit zu weiterem Leid. Schlussendlich braucht es eine Verhandlungslösung, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt, eine Lösung, die beiden Seiten Sicherheit und Selbstbestimmung gewährleistet und Hoffnung und Zukunftsperspektiven gibt. Mit Terror und Gewalt ist dieses Ziel nicht zu erreichen.
Der „Sohn der Hamas“ hat Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten. Dieser beginne aber nicht mit politischen Lösungen oder Verhandlungen. Dieser beginne mit dem Wandel in den Herzen der Menschen. Denn das größte Problem ist der Hass.
Die Geschichte des „Sohns der Hamas“ zeigt, welche Kraft die Botschaft Jesu hat. Wenn ein Sohn der Terrororganisation Hamas, die sich die Vernichtung Israels auf die Fahnen geschrieben hat, nicht nur lernen kann, Juden zu lieben, sondern für diese sogar sein Leben riskiert, was ist dann nicht möglich?
Jesus gehört zu den Figuren, die die drei abrahamitischen Religionen miteinander verbinden: Jesus war Jude, Christen verehren ihn als Messias und für Moslems ist er einer der großen Propheten. Die Botschaft, die Jesus in die Welt gebracht hat, hat die Welt verändert – und sie kann es immer noch. Leben wir danach und tragen wir sie weiter!
Frohe Weihnachten!
Siehe: Sohn der Hamas – Mein Leben als Terrorist, von Mosab Hassan Yousef mit Ron Brackin