Schaumberger Schuldenberg – die Haushaltslage der Gemeinde Tholey

 

Interview mit Bürgermeister Hermann Josef Schmidt

Durch die allgegenwärtige Flüchtlingskrise, deren Auswirkungen sich mittlerweile selbst im kleinsten Ort zeigen, rücken andere Themen in den medialen Hintergrund, wo sie jedoch nicht hingehören. Ein Beispiel findet sich bei der zum Teil katastrophalen Haushaltslage vieler saarländischer Kommunen.

Im letzten Jahr lag die Pro-Kopf-Verschuldung der Städte und Gemeinden im Land laut dem statistischen Bundesamt bei rund 7.200 Euro. Nur die Bremer haben mit einer noch höheren Belastung zu kämpfen.

Wir haben mit Bürgermeister Hermann Josef Schmidt über die Haushaltslage der Gemeinde am Fuße des Schaumbergs gesprochen.

Bürgermeister der Gemeinde Tholey, Hermann-Josef Schmidt
Bürgermeister der Gemeinde Tholey, Hermann-Josef Schmidt

wndn.de: Herr Bürgermeister, wie schlimm steht es wirklich um den Haushalt Ihrer Gemeinde?

Hermann Josef Schmidt: Die Haushaltslage der saarländischen Kommunen ist natürlich im Moment nicht sehr gut, denn sie sind die zurzeit am höchsten verschuldeten Kommunen in ganz Deutschland. Auch die Gemeinde Tholey weist, aktuell mit 1,7 Millionen Euro pro Jahr, eine defizitäre Haushaltslage auf. Darunter sind 1,2 Millionen Euro an Tilgung für Kredite enthalten. Wir bemühen uns natürlich, diese Defizite bis zum Jahre 2024 schrittweise abzubauen. Allerdings werden bis dahin weitere Defizite aufgebaut werden. Das ist leider unvermeidlich sonst könnten viele öffentliche Leistungen von heute auf morgen nicht mehr angeboten werden.

wndn.de: Welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um die Verschuldung weiter zu verringern?

Hermann Josef Schmidt: Im Bereich der Einnahmeverbesserung werden wir nicht umhinkommen, uns noch einmal über die Höhe der Grundsteuer im nächsten Jahr zu unterhalten. Wir müssen nach weiteren Möglichkeiten suchen, die Betriebskosten der öffentlichen Einrichtungen zu senken. Außerdem müssen wir auch hinterfragen, ob wir das alles noch leisten können, was wir uns leisten wollen.

wndn.de: In der Presse und der Bevölkerung wird nach wie vor über Nutzen und Kosten des Schaumbergbades diskutiert, das ein jährliches Defizit von fast einer Million Euro verursacht. Ginge es Tholey ohne das Bad finanziell besser?

Hermann Josef Schmidt: Ja, aber nur finanziell. In den letzten zehn Jahren sind durch das Erlebnisbad Schaumberg etwa neun Millionen Euro Defizit aufgelaufen. Natürlich ginge es der Gemeinde ohne dieses Schwimmbad finanziell besser. Allerdings hätten wir damit eine wichtige Infrastruktur- und Tourismuseinrichtung weniger, die dafür sorgt, dass wir ca. 90 Arbeitsplätze vor Ort und jährlich etwa 240.000 Besucher haben, dass unsere Kinder Schwimmen lernen und wir im Freizeitbereich und im touristischen Angebot des Kreises auch eine ganz wesentliche Indooraktivität haben, die die ausgezeichneten Outdoorangebote bestens ergänzt.

wndn.de: Vielen drängt sich der Verdacht auf, dass sich Tholey mit einem Bad dieser Größe schlicht übernommen hat. Die Menschen in Ihrer Gemeinde wissen, dass man mit 10 Euro im Geldbeutel keine 20 Euro ausgeben kann. Verlieren Sie als Verantwortlicher nicht an Glaubwürdigkeit, wenn Sie am Fortbestehen des defizitären Bades festhalten?

Hermann Josef Schmidt: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben uns in den letzten Jahren immer darum gekümmert, das Defizit stabil zu halten bzw. durch mehrere Einsparmaßnahmen sogar zu senken. Neben der Reduzierung der Personalkosten haben wir auch Energieeffizienzgewinne realisieren können. Wir haben organisatorische Änderungen durchgeführt und die Angebotsstruktur durchforstet. Es ist uns darüber hinaus gelungen, in Gesprächen mit dem Landkreis eine Beteiligung in der Größenordnung von 25 Prozent der Betriebskosten ab dem Jahr 2017 zu erreichen. Unser Ziel ist es, das Defizit des Bades auf etwa 600.000 Euro im Jahr zu reduzieren. Das halte ich im Hinblick auf den Vergleich mit anderen Bädern im Land für einen guten Wert, der sich auch bei knappen Kassen realisieren lässt. Das Fortbestehen des Bades ist nicht nur für die touristische, sondern auch für die schulische Infrastruktur, die Familien und die Älteren hier im Landkreis sehr wichtig. Deshalb werden wir um das Erlebnisbad kämpfen. Wir haben Menschen hier in der Region, die seit 40 Jahren Stammgäste sind. Zu deren Alltag gehört einfach der Schwimmbadbesuch, durch den sie ein hohes Maß an Lebensqualität gewonnen haben. Darauf möchte ich nicht verzichten.

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wndn.de: Die Flüchtlingskrise hat auch Tholey erreicht. Inwiefern wird diese Herausforderung zu einer Mehrbelastung des Haushalts führen?

Hermann Josef Schmidt: In diesem Jahr wird die Gemeinde Tholey Mehrkosten von etwa 150.000 Euro haben. Insbesondere durch zusätzliche Personalkosten, aber auch durch Sachleistungen, was die Möblierung und die Herrichtung von Wohnungen anbelangt. Wir werden aber auch Mehrkosten haben durch die Kreisumlage. Der Kreis ist dabei für die Kosten der Unterkünfte verantwortlich, aber auch für die soziale Betreuung und Integration der Flüchtlinge. Die Gelder, die vom Kreis hier ausgegeben werden, schlagen natürlich bei der Kreisumlage zu Buche und müssen letztendlich über diesen Umweg von der Gemeinde bezahlt werden. Wie hoch die Belastung über die Kreisumlage ist, vermag ich heute noch nicht abzuschätzen. Aber es werden nicht unwesentliche Beträge sein.

wndn.de: Wie bewerten Sie die allgemeine wirtschaftliche Lage der Kommunen im Landkreis St. Wendel?

Hermann Josef Schmidt: Alle acht Kommunen im Landkreis unterliegen der Haushaltssicherung und sind damit verpflichtet, Sparmaßnahmen einzuleiten, Einnahmeerhöhungen und etliche andere Maßnahmen durchzuführen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass wir hier eine ausgezeichnete Tourismus- und Naherholungsinfrastruktur für die Bewohner und Bewohnerinnen des Landkreises geschaffen haben. Viele Arbeitsplätze sind durch die Erschließung von Gewerbeflächen realisiert worden. Zahlreiche Menschen besuchen den Landkreis und bringen damit eine erhöhte Wertschöpfung und zusätzliche Gelder in den Kreis, so dass die Menschen hier Arbeit haben und die Infrastruktur aufrechterhalten werden kann. Dies hat zur Folge, dass der Landkreis St. Wendel in fast allen Rankings, egal ob es um die wirtschaftliche Stärke, um die Lebensqualität oder um die Familienfreundlichkeit geht, immer im oberen Drittel im bundesweiten Vergleich und im Saarland stets ganz vorne steht. Im Kreisvergleich im Saarland selbst liegt er mit an der Spitze.

wndn.de: Wie wird der Haushalt in Tholey im Jahr 2020 aussehen?

Hermann Josef Schmidt: Bis zum Jahr 2020 gehe ich davon aus, dass wir, was das operative Ergebnis anbelangt, einen ausgeglichenen Haushalt haben werden. Was wir nicht erreichen werden, ist, dass wir die Tilgung von jährlich 1,2 Millionen Euro finanzieren können. Das werden wir nur teilweise schaffen. Insgesamt aber werden sich die Einspar- und Konsolidierungsbemühungen der Gemeinde auszahlen. Die Haushaltssituation wird sich also verbessern. Es sei denn, dass sich in der Flüchtlingssituation neue Ausgaben ergeben, deren Ausmaß heute noch nicht abschätzbar ist.

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